
Stuttgart: Blick von der Nesenbachtalbrücke
Wegeplanung
Grundsätzliches
Ich bin ein Luxusgeschöpf :-). Wenn ich schon einen ganzen Tag bei Wind und Wetter mit meinem Rucksack auf dem Buckel zu Fuß draußen und somit den Elementen ausgeliefert bin, freue ich mich abends über ein festes Dach über dem Kopf. Entsprechend werden die Etappen geplant.
Wenn ich abends am Zielort ankomme, bin ich eigentlich immer etwas verschmutzt und verschwitzt, daher steige ich eher nicht in teuren 5 Sterne Hotels ab, sondern folge der Maxime "einfach und sauber". In Jugendherbergen kann man mittlerweile auch Einzel- und Doppelzimmer buchen, und oft befinden sie sich an schönen Orten oder sind in interessanten Gebäuden untergebracht. Deshalb übernachte ich auch gerne dort, wenn es mit der Routeneinteilung passt.
Wenn im Text zu meinen Wanderungen eine Unterkunft explizit genannt wird, dann bedeutet das keine Abwertung für andere Quartiere am Ort, die ich ja auch gar nicht getestet habe, sondern heißt nur, dass ich mich dort besonders wohl gefühlt habe, sei es wegen der vom Hotelpersonal gelebten Gastlichkeit oder wegen praktischer Services für Wandernde.
Grobkonzept:
- Nach der Entscheidung für einen bestimmten Weg lege ich eine Excel-Tabelle an. Ich bin ein bisschen old-school und nehme zur Vorbereitung gerne eine Papierkarte und, wenn es ihn gibt, einen Wanderführer zum ausgewählten Wandergebiet, um eine bessere Übersicht zu haben. Die Wanderführer kann man sich übrigens oft auch einfach in der Stadtbibliothek ausleihen.
- Manche Wanderwege sind im Wanderführer oder auf der Website aus verschiedensten Gründen in relativ kurze "offizielle" Etappen eingeteilt. Im Mittelgebirge mit Tageshöhenmetern von um die 500 m hat sich für mich als nicht mehr ganz taufrischer und nicht besonders sportlicher Frau ein Tagesdurchschnitt von 22 km bewährt. Also teile ich die Gesamtstrecke der Wanderung zunächst durch 22 km. So ergibt sich eine bestimmte Anzahl an Wandertagen. Dazu kommt ein Pausentag pro Woche. Bei einer Wanderung, die in acht oder neun Tagen zu bewältigen ist, braucht es nicht unbedingt einen Pausentag. An der Etappenanzahl sehe ich dann, ob die geplante Strecke gut in das Urlaubskorsett einer Berufstätigen passt. Wenn die Einteilung eines Weges inklusive Pausentagen rechnerisch beispielsweise auf nur knapp zwei oder drei Wochen kommt, dann schaue ich auf der Karte, welche interessanten Wanderziele es noch in der Umgebung gibt. So fülle ich die Urlaubswochen mit „Bonusetappen“ auf. Oder lande so mit ein paar Zusatzkilometern an einem schneller und unkomplizierter zu erreichenden Start- oder Zielbahnhof.
Feintuning:
- Wie lange dauert die Anreise? Soll ich schon freitagabends anreisen oder käme ich auch samstags früh genüg am Start an, um eine Tagesetappe zeitlich noch bewältigen zu können? (No-Brainer: es hat sich bewährt, bei der Anreise mit der Bahn eine Stunde Verspätung einzukalkulieren.) Oder wandere ich vielleicht am Anreisetag eine kürzere Etappe? Entsprechendes gilt für die Rückreise.
- Welche interessanten Sehenswürdigkeiten liegen am Weg und wann haben sie geöffnet? Für die Besichtigung entsprechend Zeit einplanen und gegebenfalls die Wanderetappe kürzen.
- Wo gibt es eine gute Übernachtungsmöglichkeit? Welche größere Stadt oder welcher touristisch relevante Ort liegt in der Nähe und ist gut mit Bus oder Bahn an meinen Wanderweg angebunden, so dass ich vielleicht ein paar Etappen von einem Standquartier aus wandern kann?
- Hier helfen die Netzpläne der Nahverkehrsunternehmen im Gebiet. Wenn ich nur die Fahrplanauskunft der Nahverkehrsapp nutze, erschließt sich nicht immer, welches der Hauptort in der Gegend ist, den viele Linien ansteuern. Da hilft der Netzplan. Im Wanderführer ist dieser verkehrstechnisch günstig angebundene Ort oft nicht auszumachen, weil der Kartenausschnitt nur wenige Kilometer links und rechts der Strecke zeigt. Hierin liegt auch die Stärke der Papierwanderkarte: die bessere Übersicht. So wäre ich ohne Karte und Netzplan nicht auf die Idee gekommen, dass Nördlingen ein guter Standort für die mit Übernachtungsmöglichkeiten und ÖPNV Verbindungen nicht gerade gesegneten ersten Etappen des HW1 ist.
- Übrigens werden in der App der Deutschen Bahn auch die Busverbindungen angezeigt.
- Bitte immer nachprüfen: fährt mein Bus auch, wenn ich ihn samstags oder sonn- und feiertags benötige? Bedeutet eines der Kürzel im Fahrplan, dass es sich um Rufbus oder Anrufsammeltaxi handelt, die ich rechtzeitig vorher anfordern muss? Tückisch sind Busverbindungen, die nur zu Schulzeiten oder Ferienzeiten angeboten werden, da heißt es gut aufpassen beim Fahrplanlesen.
- Welche Infrastruktur gibt es an meinem Zielort oder unterwegs? Und wie sind die Öffnungszeiten von Supermarkt/Bäcker, Apotheke/Drogeriemarkt (falls man Blasenpflaster nachkaufen muss) und Sportgeschäft (falls der Wanderschuh den Geist aufgibt - alles schon vorgekommen)?
- Verpflegung – unterwegs und am Abend: koche ich selbst oder gibt es ein ansprechendes Restaurant?
- Durch die Lage der Unterkünfte ergibt sich, dass sich die durchschnittlich 22 km an manchen Tagen auf bis zu 30 km verlängern, aber an anderen dafür vielleicht nur 15 km gewandert werden. Vielleicht endet die kurze Etappe dann an einem lohnenden Ziel, z.B. einem Ort mit einer Therme. Vielleicht ist die kurze Etappe aber auch besonders anspruchsvoll, weil viele steile Höhenmeter erklommen werden müssen und ist daher trotzdem tagesfüllend (und eine Therme erst recht willkommen).
- In meiner Excel-Tabelle trage ich neben den Kilometern die Höhenmeter im Auf- und Abstieg und die voraussichtliche Wanderzeit ein. Das gibt mir eine weitere gute Einschätzung, ob ich die Etappen auch wirklich bewältigen kann. 7 - 7,5 Stunden Nettowanderzeit (also ohne Pausen) sind hier für mich ein gutes Richtmaß für die obere Grenze. Normalerweise peile ich eine Nettowanderzeit von 5,5 - 6,5 Stunden an. Ich bin im Urlaub und muss nicht unbedingt so lange wandern, wie ich sonst Zeit mit beruflicher Arbeit verbringe. Dann bleibt auch noch Zeit und Kraft, den Etappenort zu erkunden oder ein Museum zu besuchen. Wenn ich früh oder spät im Jahr wandere, schaue ich auch, wie viele Stunden Tageslicht zur Verfügung stehen, damit ich sicherstellen kann, dass ich meine Unterkunft noch vor Einbruch der Dunkelheit erreiche. Und nicht vergessen: die Pausen zur Wanderzeit dazuzählen! Und mit einkalkulieren, dass man sich trotz aller elektronischen Unterstützung auch mal verläuft.
- In der Regel versuche ich, zwei bis drei Pausen zu machen. Die erste nach ca. 40 % - 50 % der Tagesetappe, die nächste nach weiteren 30 %, die dritte vielleicht kurz vor dem Ende, um die letzten Reserven zu mobilisieren. Ich schaue schon vorher, wo geeignete Pausenplätze sein könnten (vielleicht eine Burg, ein Biergarten oder ein Aussichtspunkt). Das funktioniert aber in der Realität nicht immer perfekt. Manchmal bist du so erschöpft, dass es gerade bis zur nächsten Bank reicht (und dann hangelst du dich von Bank zu Bank…).
- Wichtig ist, dass du dein Wandertempo VOR der Wanderung erprobt hast. Dir sollte VORHER klar geworden sein, dass deine geplante Tour für dich realistisch machbar ist. Es gibt Standardmethoden für die Berechnung der Wanderzeit einer Etappe wie z.B. Naismith's Rule (in einer Stunde kann man 3 Meilen in der Ebene oder 2.000 Fuß in der Höhe zurücklegen). In Deutschland gibt es eine etwas langsamere Faustregel: in einer Stunde schafft man 4 km pro Stunde in der Ebene oder 300 Höhenmeter. So werden die Wanderzeiten in den Wanderführern berechnet. Es ist für deine Etappenplanung wichtig zu wissen, wo du mit deinem Wandertempo im Verhältnis zur Faustregel stehst. Wir sind Individuen und sollten VORHER herausfinden, ob diese Zeit für uns passt oder ob wir schneller als der Wanderführer wandern, ausdauernder sind, gemütlicher unterwegs sein wollen oder ab einer bestimmten Kilometeranzahl die Lust verlieren. Das beeinflusst die persönliche Etappeneinteilung. Aber natürlich gewöhnt sich der Körper an das Wandern, und mit jedem Tag fällt es dir leichter. Nur stellt sich der Effekt nicht schon bei einer einwöchigen Tour ein.
- Alles, was ich unterwegs wissen muss, also auch die Adressen und Telefonnummern der Hotels und die Abfahrtszeiten und Liniennummern der Busse, habe ich in der Excel-Liste eingetragen. Ich habe sie auf dem Handy abgespeichert und nehme sie zur Sicherheit auch ausgedruckt mit.
- Die relevanten Informationen aus dem Wanderführer (Wegeskizze und Wegbeschreibung, Kulturhistorisches) scanne ich ein, schneide sie am PC entsprechend zurecht und drucke sie doppelseitig aus. Das jeweilige Blatt der Tagesetappe steckt in einer Klarsichthülle griffbereit in meiner Tasche am Bauchgurt.

Eine Excel-Tabelle hilft mir die Übersicht über meine Wanderwochen zu behalten.
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